Mikrochemische Untersuchung eines Kristallsplitters

 

 

 

Kristalle von Mineralen eignen sich mit ihrer meist gut definierten chemischen Zusammensetzung und der oft begrenzten Zahl der im Kristallgitter vertretenen Elemente ausgezeichnet für mikro- und ultramikrochemische Untersuchungen. Selbst kleine "Mikromounts", also Mineralstüfchen von oft nur wenigen Millimetern Gesamtgröße sind für den Mikrochemiker unerschöpfliche "Bergwerke", bei denen die notwendigen "Schürfungen" meistens nicht sichtbar werden. Außerdem lassen sich so in der Anfangsphase die eigenen Bemühungen kontrollieren und die leider häufigen gegenseitigen Beeinflussungen der beteiligten  Elemente untersuchen.

 

Vor einiger Zeit fiel mir bei der Suche nach interessanten Kristallen folgende Verkaufsanzeige bei Ebay auf.

 

 

Bild 1

 

 

 

Solche Mineralangebote sind natürlich eine schöne Herausforderung, auch oder vielleicht gerade dann, wenn man zumindest ahnt, um welches Mineral es sich handeln könnte.

Ich möchte in diesem Beitrag den Weg bis zur Identifizierung der oben sichtbaren Kristalle vorstellen.

Angeboten wurde ein winziges "Mineralstüfchen" von etwa 1 cm Gesamtgröße, dessen "grüne Kristalle"  mit bloßem Auge kaum erkennbar waren.

Diese Kristalle würde ich als gelbgrün, transparent und "blättrig" bezeichnen.

 

 

 

Bild 2  (stark vergrößerte Kristalle unter Stereomikroskop)

 

 

Als  Fundstelle war die berühmte "Schmiedestollenhalde" bei Wittichen im Schwarzwald angegeben.

 

Die vollständige Untersuchung eines Minerals auf alle mineralbildenden chemischen Elemente wird mikrochemisch extrem aufwändig  bleiben. Dennoch läßt sich ein Mineral durch einige gezielte Trennungen und Nachweise mit ziemlich hoher  Sicherheit bestimmen, was im folgenden vorgestellt werden soll.

 

Die Details der Trennung habe ich bewußt in den hinteren Teil des Beitrags verbannt.

 

Zunächst ist für ein effektives Vorgehen ein Blick auf die überaus informative Seite "Mineralienatlas" angebracht.

Wenn man hier unter "Fundstellen" die Schmiedestollenhalde eingibt, erfährt man, welche Minerale in dieser überhaupt vorkommen können.

Es bleibt einem nichts anderes übrig, als alle (einem) unbekannten Minerale anzuklicken und auf Ähnlichkeit (Farbe) mit dem zu untersuchenden Material zu überprüfen.

 

Nach dieser Prozedur bleiben m.E. folgende Minerale übrig, die für mich als mineralogischem Laien für die "grünen Kristalle" in Frage kommen. Sie sind gelblich bis grün und weisen blättrige Strukturen oder  amorphe Beläge auf.

 

 

 

-Beyerit                   (ein Ca-Bi-Carbonat)

 

-Bismit                    (Wismutoxid)

 

-Bismutoferrit       (Wismut-Eisen-Silikat)

 

-Tirolit                      (Ca-Cu-Arsenat)

 

-Cornwallit             (Cu-Arsenat)

 

-Annabergit           (Ni-Arsenat)

 

 

 

und die radioaktiven Minerale:

 

 

 

-Heinrichit            (Ba-uranyl-arsenat)

 

-Zeunerit              (Cu-uranyl-arsenat)

 

-Novacekit           (Mg-uranyl-arsenat)

 

-Walpurgin          (Wismut-uranyl-arsenat)

 

 

 

Der nächste Schritt bringt eine weitere Auftrennung der Möglichkeiten.

Es zeigt sich, daß die winzigen Mineralsplitterchen unter UV-Licht (256  und 360 nm) stark grün fluoreszieren.

 

Bild 3  stark vergrößerte Aufnahme unter einem "Fluoreszenzmikroskop" mit UV-Anregung

 

 

 Damit gehe ich einmal davon aus, daß es sich um ein Uran-haltiges Mineral handelt, für die ja die Schmiedestollenhalde (Wittichen/Schwarzwald) bekannt ist.

Eine Überprüfung mithilfe eines G-zählers ergab keine meßbare "Emission"; das Kriställchen ist zu klein für eine einfache Messung.

Einige der Kristalle werden  unter  tesa "abgebaut" und in ein Mikrogefäß überführt. Die Abschätzung der Masse der Kristalle ergibt etwa  50µg.

 

Nachfolgend die mikroskopischen Bilder einzelner Nachweise der Untersuchung.

 

 

Bild 4    (der weiße, kristalline Niederschlag von BaSO4 in der Spitze des "cone" nach Zentrifugation)

 

 

Bild 5   (der oben sichtbare Niederschlag bei 400 facher Vergrößerung im "Dunkelfeld")

 

Bild 6   (und im "Hellfeld")

 

Bild 7  Fällung des Arsens im Kristall als As2S5

 

 

Bild 8  Nachweis von Uran als characteristische kristalline Verbindungen von Uran und Acetaten

 

Bild9  Nachweis des Urans als Farbverbindung mit Hexacyanoferraten (II) (Tüpfelreaktion)

 

Bild 10  Nachweis als "Tüpfelreaktion" im Nanogrammbereich

 

Insgesamt ergibt die Untersuchung, daß es sich bei den "grünen Kristallen" sehr wahrscheinlich um das Mineral "Heinrichit" handelt.

Dieses ist ein seltenes Mineral aus der Klasse der (vereinfacht): "Uranyl-(Phosphate, Arsenate, Vanadate)/Autunit-Gruppe"

Es wurde erstmals 1958 beschrieben und nach dem US-amerikanischen Mineralogen E.W. Heinrich (1918-1992) benannt.

Es bildet sich als Sekundärmineral in der "Oxidationszone" von Uranlagerstätten und ist derzeit an etwa 20 Fundstätten nachweisbar, u.a. eben auch in Wittichen. (Grube Anton)

 

Die mikrochemische Aufarbeitung des Minerals erwies sich als schwierig, weil sich die Elemente des Minerals hochgradig gegenseitig beeinflussen.

Schon bei leichter Erhöhung des pH-Wertes (also weniger sauer) fallen vorab unterschiedliche Kombinationen der Bestandteile als zumeist gelbe Niederschläge aus, so wahrscheinlich Uranylarsenat, Bariumarsenat, sowie Diuranate der Ammoniumgruppe und des Barium (?).

Trennung und Nachweise mussten deshalb überwiegend im sauren "Milieu" vonstatten gehen.

Außerdem gibt es kein Lösungsmittel, in dem sich ein durchgehender eleganter Trennungsgang durchführen ließe. So hätte man in HNO3 das Uran sehr elegant mit H2O2 als Uranperoxid  abtrennen können, dann aber (zumindest ohne Eindampfen) kein Thioacetamid zur Fällung des Arsens mehr einsetzen können. (Schwefelabscheidung)

Andererseits behindert HCl als Lösungsmittel die o.g. Abscheidung des Urans.

Ich habe deshalb einige weitere Kristalle in verdünnter HCl aufgelöst und das Uran noch mithilfe der Feigl'schen "Tüpfelanalyse" als Uranverbindung mit Kaliumhexacyanoferrat (II) nachgewiesen und Kupfer durch das Ausbleiben der typischen Violettfärbung bei der Kristallverbindung zwischen Zink und Ammoniumtetracyanato-mercurat ausgeschlossen.

Die Lösung der Kristalle erfolgt mithilfe etwa halbkonzentrierter  Salzsäure und leichtem Erhitzen.

Etwas weißlicher Rückstand verbleibt und ist auch in konz HNO3 unlöslich.

Somit kann Wismut als Baustein des Minerals bereits  weitgehend ausgeschlossen werden, da dieses  in verdünnten wässrigen Lösungen zum schwerlöslichen BiOCl3 hydrolysieren würde, in konz.Säuren aber löslich wäre.

Der Überstand wird abgesaugt und mit 1 µl konz. H2SO4 versetzt. Nach kurzer Zeit bildet sich ein feiner amorpher Niederschlag, bei dem es sich nur um die Elemente Ba, Ca und (theor.) Sr und Pb handeln kann, da nur diese mit H2SO4 zu schwer löslichen Niederschlägen führen.

Der Niederschlag wird abzentrifugiert, gewaschen und dann auf einem Objektträger in einem Tropfen heisser  H2SO4 umkristallisiert. Es entstehen sofort die charakteristischen Kristalle für BaSO4. (s.o.)

Strontiumsulfatkristalle sind isomorph; sie können aber ausgeschlossen werden, da Sr hier nicht infrage kommt (siehe Liste der Minerale oben); CaSO4-Kristalle sehen dagegen vollkommen anders aus.

 

Der stark saure klare Überstand wird jetzt mit 500nl einer konz. TAA-Lösung versetzt. Nach leichtem Erhitzen im Wasserbad bildet sich ein (mikro-)voluminöser kanariengelber Niederschlag, der hier schon beweisend ist für Arsen, da bei diesem niedrigen pH-Wert ausschließlich As als As2S5 fällt. Mit dieser Vorgehensweise ist das Problem gelöst, daß  As, wenn man es als NH4-molybdatoarsenat nachweisen will, isomorphe Kristalle zur Verbindung mit Phosphat bildet. Bei vielen Kristalluntersuchungen ist das ein Problem, da sowohl Arsenate wie auch Phosphate als Anionen in vielen Mineralen vorkommen. (gewisse Trennungen mit NH4-molybdat und Benzidin dennoch möglich; (siehe Feigl/Tüfelanalyse)

 

Im Anschluß  folgt der "Rundumschlag" bezüglich zahlreicher weiterer Metalle dadurch, daß der Überstand mittels NH4OH zunehmend basisch gemacht wird.

Auf diese Weise müssten jetzt noch, als mehr oder weniger gefärbte (schwarze) Niederschläge, die Sulfide von: Bi (s.o.), Cu, Pb, Mn, Co, Ni, Zn und Hydroxide von z.B. Fe Cr und Al fallen.

Das bleibt aber (zum Glück) aus. Die Elemente Mg, Na und K habe ich mir erlaubt, zu ignorieren ;-) .

Die elegante Vorabfällung des Urans als NH4-diuranat ist hier nicht möglich, da die Zusammensetzung des Minerals bei Alkalisierung zu Ausfällungen verschiedener schwerlöslicher Salze führte; das waren wahrscheinlich Uranylarsenat, Bariumarsenat und auch Verbindungen von Ba und Uranyl-Gruppe.