GESCHICHTE UND FORSCHER DER MIKROCHEMIE
Die Ursprünge der Mikrochemie liegen weit zurück, wenn man einfachste Tüpfelreaktionen für Eisen oder Kupfer, die es schon im Mittelalter gegeben haben könnte, dazu rechnen will.
Als Herbert K. Alber den Beitrag zur Mikrochemie für das Buch "A History of Analytical Chemistry" schrieb, das 1977 von Laitinen und Ewing für die American Chemical Society verfasst wurde, teilte er die Ära der Mikrochemie in zwei Perioden ein:
-Die "frühe Periode" vor 1900
-Die "klassische Periode" 1900 - 1945
Man könnte aber noch eine weitere, sehr wichtige Periode anhängen und sie bezeichnen als:
-Die "Periode der Perfektionierung" 1945 bis etwa 1970
Bereits ab dem frühen 19. Jahrhundert waren Forscher bemüht, Nachweise von anorganischen und organischen Stoffen an kleinen und kleinsten Mengen durchzuführen. Die Gründe dafür waren weniger Sparsamkeit, als die Notwendigkeit, solche Untersuchungen für die zur Verfügung stehenden kleinen Stoffmengen z.B. bei Pflanzen- oder Mineralproben passend zu machen.
Marggraf (vor 1780) und Raspail (etwa 1825) waren möglicherweise die ersten, die chemische Strukturen mithilfe von Mikroskopen erforschten. Danach häuften sich Berichte von Chemikern, Medizinern, Mineralogen und Botanikern, die mikroskopische Techniken zur Erforschung von organischen und anorganischen Strukturen (Kristallen) einsetzten.
Die wichtigsten sind im folgenden aufgeführt.
Theodor G.Wormley (1826 - 1897)
der Begriff "Mikrochemie" taucht (m.E.) erstmals bei Th.Wormley in seinem Buch "The Microchemistry of Poisons" auf, das 1867 in seiner ersten Auflage erschien und als die erste geschlossene Darstellung mikrochemischer Untersuchungen gilt.
Es behandelt in erstaunlich entwickelter Weise die damals bekannten mikrochemischen Techniken, insbesondere der Kristallbildung.
Für Wormley war Mikrochemie die Art von Chemie, die unter dem Mikroskop stattfand.
Schon bald wurde das Mikroskop das wichtigste Gerät der Mikrochemiker und eine zunehmende Zahl von Büchern und Veröffentlichungen erschien, so z.B.:
Emanuel Boricky (Universität Prag) :"Elements of A New Chemical Microscopical Analysis of Minerals And Rocks (1877)
A.Streng (Giessen) "Anleitung zur Bestimmung der Mineralien" (1890)
K.Haushofer "Mikroskopische Reaktionen" (1885)
Klément und Rénard "Reactions Microchimique; A Cristeaux Et Leur Application En Analyse Qualitative" (1886) und etliche andere Autoren.
Heinrich Behrens, geboren 23.1.1842 in Büsum, gestorben 13.1.1905, seit 1874 Professur für Mineralogie, Geologie und Bergbau an der Polytechnischen Schule Delft/Holland, ab 1898 Professur für Mikrochemie daselbst, erforschte erstmals die vielfältigen Störungen von Kristallnachweisen durch äußere Einflüsse wie Temperatur, Konzentration und Verunreinigungen und brachte neue elegante Nachweise auch seltenerer Elemente; so gehört u.a. der Nachweis von Phosphaten als Magnesiumammoniumphosphat zu seinen Entdeckungen.
Er erkannte die Wichtigkeit hoher Konzentrationen für die Reaktionsteilnehmer und empfahl, das "Reagenz", wenn möglich, in fester Form zuzugeben.
Er schrieb die Bücher "A Manual Of Microchemical Analysis" (1894 in Englisch) und "Anleitung zur Mikrochemischen Analyse" (1899).
A.C.Huysse, kann als der erste Vertreter der "klassischen Periode" angesehen werden.
Er veröffentlichte 1900 seine Schrift "Atlas zum Gebrauche bei der Mikrochemischen Analyse", in der aber meist nur Farblithographien von 27x6 Kristallnachweisen ohne methodische Hinweise zu finden sind.
Friedrich Emich, geboren 10.09.1860 in Graz; 1878 Studium der Chemie an der Technischen Hochschule in Graz, ab 1889 als Dozent dort tätig. Er beschäftigte sich früh mit der Analytischen Chemie und schuf für die Mikrochemie eine neue umfassende Basis, indem er die bis dahin vorherrschenden kristalloptischen Analysen um eine neue Chemie mit vielen verschiedenen Methoden im verkleinerten Maßstab erweiterte.
Dazu bediente er sich zunächst immer feinerer Mikrowaagen, ohne die Mikrochemie nur eingeschränkt möglich ist. Auch andere bekannte Geräte und Hilfsmittel wurden von ihm systematisch auf kleinste Probenmengen angepasst oder neu entwickelt.
Er führte erstmals systematisch die aus Kapillaren gezogenen "Kapillargefäße" als die Standardgefäße für die Mikrochemie ein. Er beschrieb viele Messverfahren an Kristallen, Schmelz- und Siedepunktbestimmungen und Brechungsindizes an Mikromengen, führte das "Abschleppen" und Filtrieren auf Objektträgern ein und zeigte Nachweise geringster Substanzmengen auf "Gespinstfasern". Er setzte erstmals quantitative Methoden routinemäßig ein.
1911 erschien sein "Lehrbuch der Mikrochemie", 1926 in verbesserter Auflage. 1923 erschien sein "Mikrochemisches Praktikum, 1931 neu aufgelegt.
1930 ging er in den Ruhestand und starb 1940.
Sein bedeutendster Schüler war A.A. Benedetti-Pichler, der in seiner Bedeutung seinem Lehrer nicht nachstand.
In der "Festschrift zum 70. Geburtstag von Hofrat Prof.Dr.Friedrich Emich" am 5.September 1930 schreiben u.a. die ebenfalls schon anerkannten Mikrochemiker
F. Feigl, und F. Pregl:
"Wir verdanken Ihnen eine so weitgehende Verfeinerung der Technik der anorganischen Analyse, daß man sogar mit Bruchteilen von Milligrammen Trennungen und ganze Analysengänge in mustergültiger Weise durchzuführen in der Lage ist..."
"Der Meister unterscheidet sich vom Gesellen dadurch, daß er nicht nur alle erforderlichen Handgriffe der Kunst beherrscht, sondern sich auch der Auswirkungen seines Gewerbes voll bewußt ist.
Er ist nicht nur der beste Mann in der Werkstatt, er versteht es auch, die Arbeit in nutzbringende Richtungen zu leiten. In diesem Sinne gebührt Emich auch der Titel eines Altmeisters der
Mikrochemie.
Mit der Erkenntnis des neuen Arbeitsgebietes eröffnete sich dem bahnbrechenden Pionier ein so weites Arbeitsfeld, daß ein Menschenalter nicht ausreichen konnte, alle Einzelheiten zu
studieren. Die erste Forschung mußte sich auf die Festlegung der bemerkenswertesten Züge der neuen Landschaft und auf die Aufdeckung der wertvollsten Reichtümer beschränken. Der Altmeister hat
nichts von einiger Bedeutung übersehen, so daß seinen Nachfolgern nicht viel mehr übrig geblieben ist, als das
von ihm in großen Umrissen errichtete Gebäude fertigzustellen, .einzurichten, hier etwas zu erweitern und dort etwas zu vertiefen."
A.A. Bededetti-Pichler, Festrede 1950 anl. Eröffn. des I. Intern. Mikrochem.Kongresses in Graz.
Julius F.Donau, geboren 1877 in Trofaiach, studierte Chemie an der Technischen Hochschule in Graz und war seit 1902 "Stipendist" und ab 1905 Assistent beim damaligen Lehrstuhlinhaber Emich. An dieser Schule habilitierte er sich auch 1916.
Anschliessend war er verschiedentlich Mitarbeiter in der chemischen Industrie, um dann 1929 wieder in Graz (bei Gorbach) als
wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig zu werden. Ein eigener Lehrstuhl war ihm jedoch zeitlebens nicht vergönnt.
Eine Anerkennung seiner Verdienste um die Mikrochemie erhielt er erst mit der Verleihung des "Fritz-Pregl-Preises" 1942.
Etwa 40 wissenschaftliche Arbeiten, zum Teil aus dem Bereich der Kolloidchemie zeugen von seiner Vielfältigkeit. Er führte wesentliche neue mikrochemische Nachweise mithilfe der Kolloidchemie durch. Donau erkannte auch früh die Bedeutung physikalisch-chemischer Arbeitsverfahren wie der Mikrospektroskopie und der Mikroelektrolyse für die Mikrochemie. Ein wichtiges Anliegen war im die quantitative Mikrochemie und hierzu war er bestrebt, zum einen die Empfindlichkeit der damaligen Mikrowaagen kontinuierlich zu verbessern, zum anderen gravimetrische Verfahren an die verbesserten Wägemethoden anzupassen. (z.B. die "Donau'sche Schälchenmethode")
Mit dem Chemiker Wolfgang Ostwald verband ihn eine lange Freundschaft.
1913 veröffentlicht er sein Buch "Handbuch der Mikroskopischen Technik" mit einem qualitativen und einem quantitativen Teil.
1940 veröffentlichte er, gemeinsam mit F.Hecht sein Buch "Anorganische Mikrogewichtsanalyse". Darin finden sich schon sehr ausgereifte Verfahren, insbesondere der Mikrogravimetrie.
H. Molisch (1856-1937) Tschechisch-Österreichischer Botaniker, lehrte in Prag Wien und Tohoku/Japan. Er befasste sich unter anderem mit der Physiologie und Mikrochemie der Pflanzen.
Seine Veröffentlichungen:
Die Pflanzen und ihre Beziehungen zum Eisen 1892
Mikrochemie der Pfanzen 1913
Pflanzenphysiologie 1920
und viele mehr
Fritz Pregl (1860-1930) wie Emich Mitbegründer der Grazer Mikrochemischen Schule.
Geboren 03.09.1869 in Laibach im heutigen Slowenien studierte er zunächst Medizin in Graz und promovierte dort 1894 und habilitierte sich auf dem Gebiet der Physiologie 1899. Dann vertiefte er seine Kenntnisse durch einige Studienaufenthalte und arbeitete unter anderem bei Wilhelm Ostwald in Leipzig und Emil Fischer in Berlin. Auch ein Aufenthalt in Harvard ist belegt.
Angeregt durch die Forschungsarbeiten von Emich verschrieb er sich zunehmend der Mikrochemie und hier speziell der quantitativen organischen Richtung. Dabei benutzte er eine neue hochempfindliche Mikrowaage, die gerade von Kuhlmann vorgestellt worden war und eine weitere starke Verminderung der notwendigen Stoffmengen für Untersuchungen erbrachte.
Als Physiologe versuchte er die chemischen Abläufe , auch im menschlichen Körper, mit immer feineren chemischen Methoden zu erforschen und wurde so zum "Vater" der (auch quantitativen) organischen Mikrochemie. Er war in der Lage, mit Probenmengen im einstelligen Milligrammbereich wichtige organische Gruppen, wie z.B. Carboxylgruppen quantitativ zu bestimmen, für die Medizin damals ein Durchbruch. Er entwickelte zahlreiche neue Geräte für die Mikrochemie und verbesserte die damals beste verfügbare Mikrowaage, die "Kuhlmann'sche Waage", auf eine Ablesegenauigkeit von 1 µg.
Von 1910 bis 1913 war er Ordinarius für Medizinische Chemie in Insbruck und wurde danach Leiter des Institutes für Medizinische Biochemie in Graz.
Seine Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Enzyme und Stoffwechselprodukte sowie die Entwicklung immer weiter verkleinerter Arbeitsgeräte für die Mikrochemie waren für das Verständnis physiologischer Abläufe im menschlichen Körper zur damaligen Zeit von außerordentlicher Bedeutung.
Nach vielen Veröffentlichungen und Buchbeiträgen, so zu Aberhalden's "Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden" (1912), veröffentlichte er 1917 sein Buch: "Quantitative Organische Mikroanalyse", das mehrere Auflagen in verschiedenen Sprachen, zuletzt 1930, erfuhr.
Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen und 1923 erhielt er schließlich den Nobelpreis für seine "Methode zur Mikroanalytik von organischen Substanzen".
"Er war nicht nur ein hervorragender Mediziner und Chemiker sondern auch ein guter Handwerker. Er hat in der nichtbezahlten Uni-Ferialzeit als anerkannter Augenarzt gewirkt und sich bei einem Tischler, bei einem Schlosser und Glasbläser seine handwerklichen Fähigkeiten angeeignet, was ihm später bei der Entwicklung und Herstellung seiner mikroanalytischen Apparaturen zu Gute kam."
(H.Trudnovsky: Fritz Pregl- der erdte Nobelpreisträger der Univ.Graz; in:K. ACHAM (Hg) (2007), 327 - 336: Naturwissenschaften, Medizin und Technik aus Graz. Böhlau: ISBN 978-3-205-77485-3 )
Fritz Pregl starb am 13.12.1930 im Alter von 61 Jahren.
weitergehende Informationen: (Walter Steiner: )
Friedrich Hecht, geboren 1903 in Wien, gestorben 8.März 1980 ebendort.
Er studierte Chemie an der Universität Wien und promovierte 1928 zum Dr.phil. mit einer Arbeit über analytische Methoden bei der
Untersuchung von Pechblenden aus Katanga. Als Assistent am II.Chemischen Institut widmete er sich insbesondere auch der Mikrochemie der Minerale. Nach seiner Habilitation (1941) übernahm er 1943
den Lehrstuhl für Mikrochemie und Geochemie der Techn.Hochschule Graz. Nach dem Kriege arbeitete Hecht als Geochemiker in der aufkommenden Ölindustrie um dann 1950 nach Wien zurückzukehren.1958
wurde er Ordinarius in Wien und bis zu seiner Emeritierung 1974 Leiter des Analytischen Institutes der Universität.
Er veröffentlichte über 150 wissenschaftliche Publikationen, auch zur Radiochemie, und war Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Zusammen mit Julius Donau veröffentlichte er 1940 das Buch: "Anorganische Mikrogewichtsanalyse". Von 1938 bis 1944 war er Herausgeber der Zeitschrift "Mikrochemie" und darüberhinaus von 1955 bis 1959 der Fachzeitschrift "Astronautica Acta", dessen interessierter Gründer er auch war. So verwundert es nicht, daß er unter dem Pseudonym "Manfred Langrenus" Verfasser von zwei viel beachteten Science Fiction-Romanen war.
Fritz Feigl, geboren 1891 in Wien, gestorben 1971 in Rio de Janeiro, entwickelte die sogenannte "Tüfelchemie" ("spot tests") in den frühen 20er Jahren des 20. Jahrhunderts zu einer eigenständigen Technik der Analytik, sowohl anorganisch wie organisch, weiter bis hin zu einer sehr umfangreichen Sammlung erprobter Tests, die überwiegend auf "Tüpfelpapier", weniger häufig auf "Tüpfelplatten" (schwarze oder weiße Porzellanplättchen mit 6 oder mehr flachen Vertiefungen) durchgeführt wurden.
Feigl wurde im Ersten Weltkrieg als Österreichischer Offizier dienstverpflichtet und wurde hierbei mehrfach ausgezeichnet.
Nach dem Krieg setzte er sein vorher begonnenes Studium der Chemie an der Universität in Wien fort, promovierte 1920, habilitierte und wurde 1935 zum Professor bestellt.
Wegen seiner jüdischen Herkunft sah er sich gezwungen zu fliehen und landete unter abenteuerlichen Bedingungen in Rio de Janeiro. Dort waren seine Fertigkeiten im Umgang mit mikrochemischen Materialmengen durch vormalige brasilianische Schüler bekannt und so wurde er schnell Leiter des "Mikrochemischen Labors für Mineralogische Produkte des Landwitschaftsministeriums in Rio de Janeiro. 1944 erhielt er die brasilianische Staatsbürgerschaft und wurde zum Professor der Universität von Brasilien ernannt.
Zu der von ihm entwickelten Methode schreibt er in den späteren deutschen Übersetzungen:
Ein qualitativer Nachweis von Ionen nebeneinander in einem Gemenge durch Tüpfelreaktionen würde gegenüber den bekannten Trennungen durch Fällung, Filtration, Wiederauflösen etc. den Vorteil der Schnelligkeit, Einfachheit der Ausführung,
Vermeidung von unangenehmen und schädlichen Gerüchen und des geringen
Materialverbrauches besitzen und vor allem das Arbeiten mit ganz kleinen Mengen Probematerials ermöglichen und käme damit dem Bestreben der modernen analytischen Chemie entgegen, sich von der Quantität möglichst unabhängig zu machen.
und:
"Es hat sich eingebürgert, von Tüpfelreaktionen oder richtiger von Tüpfel- oder Tropfennachweisen zu
sprechen, wenn in einer chemischen Nachweisreaktion nach dem nassen Verfahren zumindest ein reagierender Stoff - meistens die Substanz, die nachgewiesen oder identifiziert werden soll - in Form
eines Tropfens einer Lösung verwendet wird. (Die übliche englische Bezeichnung ist „spot reaction“, „spot test“ oder
„drop test“; die französischen Bezeichnungen sind „réaction à la touche“, „réaction à la goutte“ oder „stilliréaction“). Die meist übliche Methode des
Tüpfelnachweises besteht im Zusammenbringen von Tropfen der Probelösung und der Reagenslösung auf einem porösen Substrat wie Filterpapier, auf undurchlässigen Medien wie Tüpfelplatten, in
Mikrotiegeln, auf Uhrgläsern oder in Mikroeprouvetten.
Eine andere Methode benützt einen der Reaktionspartner in fester Form, d. h. eine
kleine Menge des zu untersuchenden Materials wird mit einem Tropfen einer geeigneten
Reagenslösung getüpfelt, oder es wird ein Tropfen der Probelösung in Berührung mit einem festen Reagenz gebracht. Manchmal kann ein Tropfen einer Lösung oder ein
Körnchen der festen Probe zur Gasentwicklung veranlaßt werden, was durch die Wirkung auf ein Reagenspapier oder auf einen Tropfen geeigneter Reagenslösung nachgewiesen werden
kann..."
Im Laufe seiner Tätigkeit entstanden eine große Zahl von Tüpfelnachweisen, die laufend verbessert wurden und eine große Neuerung beim Umgang mit kleinen und kleinsten Stoffmengen bedeuteten.
Anton Alexander Benedetti-Pichler, geboren 1894 in Wien, wurde als der "Vater der Amerikanischen Mikrochemie" bezeichnet. Er wuchs in einem kleinen Dorf nahe der (späteren) Grenze zu Jugoslawien auf und studierte das Fach Chemie zwischen 1913 bis 1920 (Zweite Staatsprüfung) an der Technischen Hochschule in Graz, unterbrochen von seinem Kriegseinsatz im Ersten Weltkrieg, den er als Soldat an verschiedenen Fronten verbrachte.
Seine Familie war mit dem Krieg verarmt und so hielt er sich mit der Arbeit in einem Industrielabor in Frankfurt a.M. (chemisches Laboratorium Dr. E. Strauss) über Wasser, lernte aber hier grundlegende und wichtige Fertigkeiten in der Analytischen Chemie.
Auch hier waren die Ressourcen nach dem verlorenen Krieg noch sehr begrenzt und inspirierten Benedetti-Pichler dadurch schon früh, diesem Umstand durch Miniaturisierung von Ausrüstung und Substanzmengen zu begegnen. Sein lebenslanges Interesse an einer "miniaturisierten", aber dennoch leistungsfähigen Chemie nahm sicher hier ihren Anfang und sein Labor war das erste "Mikroanalytische Labor" in Deutschland.
1922 promovierte er mit einer von Prof. Pregl angeregten Arbeit zur "Mikroanalyse Organischer Substanzen" zum Dr.techn. und wirkte von 1922 bis 1927 als Vorlesungs-Assistent bei Prof. Emich an seinem Institut in Graz.
Die Jahre bei dem sehr akribisch arbeitenden Emich waren eine Herausforderung, aber mit der Zeit überlies ihm dieser zunehmend den Vorlesungs- und Demonstrationsbetrieb. Er machte die Bekanntschaft von führenden Chemikern und Mikrochemikern der ganzen Welt, die er oft als Gastgeber für Emich in Graz empfing.
So bekam er über J.B. Niederl das Angebot, die Mikrochemie am "Washington Square College" von New York zu etablieren und nahm an. Im September 1929, nach seiner Habilitierung, kamen er und seine Frau in New York an.
Bis 1940 unterrichtete er hier als "assistent professor" "microchemistry", um dann ans "Queens College", Flushing, in N.Y. zu wechseln, wo er 1947 "associate professor" und 1951 "professor" wurde. Hier blieb er bis zu seiner Emeritierung 1964 und machte das Institut zu einem internationalen Zentrum dieser Fachrichtung der Chemie. Viele renommierte spätere Mikrochemiker waren seine Schüler, von denen einige, genannt sei nur Cefola, die Mikrochemie innerhalb des "Metallurgical Project" immer weiter perfektionierten.
"Daneben hielt er bereits ab dem Jahr 1945 Vorlesungen am Brooklyn College. Neben dieser Lehrtätigkeit wirkte Benedetti-Pichler als Konsulent für analytische und
mikrochemische Fragen im Technical Service Laboratory der SoconyVacuum Oil Company sowie an den General Motors Research Laboratories, hielt darüber hinaus noch Vorlesungen an der Graduate School
der New York University und schuf mehrere Lehrfilme für den Chemieunterricht.
Weiters gründete er in New York die Metropolitan Microchemical Society (heute American Microchemical Society), der er über Jahre als Chairman vorstand, und war
Mitherausgeber des von ihr publizierten „Microchemical Journal“ und der „Microchimica Acta“. " (Bernhard Reismann, TU Graz people Nr. 70/2019-2)
1964, gerade im Ruhestand, kaufte er für sich und seine Frau eine Farm in Camden, South Carolina, die er selbst bewirtschaften wollte. Tragischerweise starb er aber am 10. Dezember 1964, 70-jährig, an einem Herinfarkt.
Sein Vermächtnis ist am ehesten in dem Buch:
"Identification of Materials Via Physical Properties Chemical Tests and Microscopy"
(New York, 1963)
wiedergegeben, in dem er nahezu alle wesentlichen Verfahren und Gedanken zur damals aktuellen Mikro- und Ultramikrochemie in Texten und Versuchsvorschriften widergegeben hat.
A.A. Benedetti-Pichler (offiz. Photographie der Univ. Graz)
Paul Leland Kirk, geboren am 9. Mai 1902 in Colorado Springs, begann sein Studium der Chemie 1920 an der Ohio State University und setzte es bis zum "master degree" an der Universität von Pittsburg fort.
1927 erreichte er den Ph.D. im Fach Biochemie an der Universität von Californien.
Im Jahre 1939 wurde er "associate professor" im "Department of Biochemistry" der gleichen Universität und erarbeitete sich einen zunehmenden Bekanntheitsgrad für seine ultramikrochemischen Arbeiten auf dem Gebiet der Biologie/Biochemie.
Seinem Schüler Cunningham folgte er wenig später, um am Plutonium-Project der USA ("Metallurgic Project") teilzunehmen und an der Erforschung des Elementes Plutonium mitzuwirken.
Neben der erstmaligen Darstellung des Elementes als Metall (mit H.Baumbach) entwickelte er, zusammen mit Craig, Gullberg und Boyer, eine Ultramikrowaage vom Torsionstyp.
Er war später vorwiegend in Hanford (Tarnname: "Hanford Engeneering Works") tätig, wo seit 1944 zunächst einer, dann mehrere Reaktoren ("piles") das Plutonium für die Waffenproduktion der Vereinigten Staaten erbrüteten.
Nach dem Kriege machte er sich rasch einen Namen als der führende Forscher auf dem Gebiet der chemischen Kriminalistik und schrieb mehrere Standardwerke, so z.B.: "Crime Investigation", 1954.
Burris B. Cunningham wurde am 16.Februar 1912 als Sohn von Charles Chapman Cunningham und Lora (Beall) Cunningham in Springer, New Mexico geboren. Dort arbeitete er nach der Schulausbildung zunächst kurz als "assistant postmaster", bevor er 1930 zunächst für ein Jahr an die "University of Southern California", dann 1931 nach Berkeley zur "University of California" ging und dort 1935 seinen B.S. Abschluss in Chemie und 1940 den Ph.D. in Biochemie machte.
Er arbeitete zunächst als "graduate", dann zwei Jahre "postdoctoral" auf dem Gebiet der Biologie/Biochemie bei dem schon renommierten Chemiker Paul L. Kirk in Berkeley.
Hier war er schon überwiegend mit mikrochemischen Fragestellungen konfrontiert, so zum Beispiel mit der Erforschung des Stoffwechsels von Einzellern wie "paramecium caudatum". (Thema seiner Dissertation: "The Chemical Metabolism of Paramecium Caudatum"; 1941)
weitere Publikationen, wie z.Beispiel:
Glenn T. Seaborg war seit Beginn 1942 auf der fieberhaften Suche nach Mikrochemikern für sein sehr rasch wachsendes "Metallurgical Project" an der Universität von Chikago.
Als er auch bei Kirk nachfragte, empfahl ihm dieser seinen Schüler Cunningham, welcher so im Juli 1942 zunächst nach Chikago wechselte und hier (später wieder in Berkeley) schließlich bis heute zum international renomiertesten Ultramikrochemiker wurde.
Er stieg schnell auf zum verantwortlichen "section chief" des MetLab für Grundlagenforschung und Trennungsstudien des neuen Elementes Plutonium und später für die folgenden "heavy elements".
Zusammen mit seinem Mitarbeiter Louis B. Werner, den er (als graduate) gleich von Kirk mitnahm, schuf er in kurzer Zeit die notwendigen ultramikrochemischen Techniken, mit denen es gelang, bereits im August 1942 die erste (mikroskopisch !) sichtbare Menge des ersten von Menschenhand hergestellten Elementes Plutonium vorzustellen.
Bereits wenig später, am 10. September 1942 konnte eine erste Wägung des neuen Elementes (als Salz) auf einer selbstgebauten Quarzfadenwaage (siehe: Die Mikrowaagen des "Metallurgical Project") erfolgen; sie erbrachte 2,77 µg.
Nach dem Kriege ging Cunningham nach Berkeley zurück, wo er in seinem "Radiation Laboratory" mit wechselnden Arbeitsgruppen weitere "Transurane", wie Americium, Berkelium, Californium und Einsteinium erstmals in µg- und ng-Mengen isolierte.
Den ultramikrochemischen Nachweis von "Einsteinium" führte er an einer Probe im Nanogramm-Bereich durch.
1946 wurde er zum "Assistant Professor", 1953 zum "Professor" (Berkeley) ernannt.
Sein Labor wurde zum Zentrum der "Actiniden"-Forschung und brachte zahlreiche weitere große Forscher hervor.
Zu seiner Zeit galt er auf seinem Gebiet als der führende Forscher weltweit.
Ab etwa Beginn des Jahres 1971 erkrankte Cunningham schwer und starb am 28. März 1971 (neunundfünfzigjährig) im einem Krankenhaus in Oakland. Er hinterließ seine zweite Frau Juliana B. Weaver und seine drei Kinder, Susan M., Bruce J. und Josef M..
Burris B. Cunningham in seinem Labor etwa Ende
der 60er Jahre
Bild aus 5)
B.B. Cunningham
Photo anläßlich der Ernennung zum "fellow"
der J.S. Guggenheim Memorial Foundation 1955
(https://www.gf.org/fellows/burris-b-cunningham))
B.B. Cunningham (etwa 1945) vor einer mikrochemischen Anordnung mit
Stereomikroskop AO Spencer 29LF und Mikromanipulatoren
beim Einbringen oder Abziehen kleinster Flüssigkeitsmengen
mithilfe einer Kapillarpipette und Mikrodosierspritze.
(aus "Plutonium Laboratory; LIFE-Magazin July 8, 1946)
Burris B. Cunningham vor seinem Stereomikroskop von AO (American Optic) Spencer Typ 29LF
Berkeley, etwa 1956
aus 4)
Burris B. Cunningham, etwa Ende der 60er Jahre
Offizielles Porträt der UCB (Berkeley)
aus 4)
Nachruf auf Professor Burris Bell Cunningham in der Zeitschrift: "Radiochimica Acta" von 1971
L.B. Werner, Mitarbeiter von B.B. Cunningham im "room 405" bei der ersten Isolierung eines reinen Plutonium-Salzes
M. Cefola, Schüler von Benedetti-Pichler, Mitarbeiter im "metLab" in Chikago