QUANTITATIVE (ULTRA-) MIKROCHEMIE

 

Volumetrie / Mikrobüretten

 

Die Mikro-Volumetrie erfüllt die gleichen Aufgabestellungen wie die gängige Volumetrie, jedoch um Faktoren von bis zu etwa 1000 verkleinert.

Eine übliche Burette enthält zwischen 10 und 50 ml Titrationsflüssigkeit und hat entsprechend grobe Teilungen.

Wenn Volumina um einige µl titriert werden sollen, müssen die Teilstriche der Mikroburette also im Nanoliterbereich liegen!

Zu diesem Zweck mussten spezielle Geräte entwickelt werden, die Mengen in solchen Größenordnungen exakt und reproduzierbar abgeben können.

Dazu gibt es verschiedene Grundüberlegungen:

1. Man kann zum einen Glasröhrchen (bis hin zu Kapillaren) mit Flüssigkeitsmengen eichen, die auf entsprechend empfindlichen Waagen ausgewogen worden sind.

Dann zeigt die Bewegung des Meniskus im Glasröhrchen, nach Auftragen einer Skala, direkt die abgegebene Flüssigkeitsmenge.

2. Man kann eine Flüssigkeit in einem nicht markierten Glasrohr durch einen definierten Stempelvorschub einer angeschraubten definierten Schraube oder einer Mikrometerschraube exakt dosieren.

Die Flüssigkeitsmenge läßt sich aus der "Ganghöhe" der (Mikrometer-) Schraube und der Skala der Spritze errechnen. (siehe unten: Hamiltonspritzen)

 

Unten eine Ultra-Mikroburette des Autors. Die Halterung der Spritze (weiß) aus POM wurde von Olaf.med aus dem Mikroskopie-Forum gebaut.

Im Bild ist eine "Hamilton"-Spritze mit einem Gesamtvolumen von 10 µl eingespannt.

Die Skala der Spritze erstreckt sich über exakt 60 mm. Das heißt: 1 mm Vorschub des Stempels bewirkt die Freisetzung von 10 µl/60, also 0,167 µl  (167 Nanoliter!).

Da 1 mm Vorschub  durch 2 Umdrehungen der Mikrometerschraube bewerkstelligt werden und diese wiederum in 100 Teilstriche unterteilt sind, würde theoretisch ein Teilstrich für 1,67 Nanoliter (nl) stehen.

Abgesehen davon, daß Volumina im Nanoliter-Bereich allenfalls mit feinsten Kapillarpipetten unter dem Mikroskop sichtbar werden, setzen auch z.B. Kapillarkräfte an der Pipettenspitze allzu kleinen Volumina deutliche Grenzen.

Meistens benutzt der Autor deshalb Hamilton-Spritzen mit 250 µl oder mehr, sodaß damit pro Umdrehung der Mikrometerschraube (0,5 mm) 2,08 µl, bzw. pro Teilstrich (der Mikrometerschraube) 41,7 nl generiert werden.

 

Eine "AGLA"-Mikrometerspritze von "Burroughs Wellcome & Co, London". (hier ohne Rückstellfeder)

Ein exakt passender und nicht austauschbarer Spritzenkolben wird durch den Vorschub einer Mikrometerschraube bewegt und setzt so Flüssigkeitsmengen im Nanoliterbereich frei. Das Volumen läßt sich an der Mikrometerschraube ablesen. Eine Umdrehung des Mikrometerkopfes bewirkt eine Volumenänderung von 10 µl, ein Teilstrich der 50er-Skala also 0,2 µl oder 200 nl !

Die Konstruktion ist auch als Mikroburette einsetzbar.

 

Im folgenden Bild ist eine Agla-Spritze in einen äußerst stabilen Manipulator eingespannt, sodaß hier ultramikrochemische Titrationen ohne Erschütterungen durchgeführt werden können. Eine Verschiebung der Spritze (mit ihrer mikroskopisch feinen Spitze) ist in allen Raumrichtungen um Mikrometer möglich.

Zur Verschiebung in der x-y-Achse wurde hier ein Tisch eines Zeiss-Mikroskopes verwendet.

Das Gerät wurde dem Autor von "reblaus", einem Mitglied des Mikroskope-Forums gebaut.

 

Die beiden folgenden Bilder zeigen den Aufbau der oben gezeigten "AGLA"-Mikrometerspritze und ihren Einsatz auf einem Mikromanipulator, mit dessen Hilfe die Spitze ihrer Kapillarpipette in das Mikrogefäß eingeführt werden kann.

(Bildnachweis 11 und 12)

 

Das folgende Bild zeigt das Bauprinzip einer einfachen Mikrodosierspritze vom "Rehberg-Typ". Sie wird gebraucht, um kleine Flüssigkeitsmengen in cones und microcones zu bewegen, also hineinzugeben oder zu entnehmen.

 

Die folgenden Bilder zeigen eine einfache "Mikrodosierspritze" vom Rehberg-Typ, ebenfalls von einem Sachkundigen aus V2A-Stahl nachgebaut. Mit einem luftdicht schließenden Drehteil wird ein Stempel (hier 3mm Durchmesser) in einen passenden Zylinder eingeführt.

Über einen kurzen Silikonschlauch wird eine Kapillarpipette aus Glas angeschlossen. Die zu pipettierende Flüssigkeit bleibt ausschließlich im Glas.

Die Spritze wird dann mit einem Mikromanipulator fest verbunden.

 

Im Bild unten sieht man die "Mutter" der Konstruktion der beiden vorausgegangenen Bilder.

Es ist eine ebenfalls "halbquantitative" Dosierspritze aus dem Hause "Cunningham", vorgestellt in seinem Artikel:

"Ultramicrochemistry" von 1954 im "Scientific American". (siehe Bildnachweise: 2)

Im unteren Bild sieht man die Handhabung der fixierten Mikrodosierspritze durch Drehen am Stempelkopf. Die Spritze ist über einen Gummischlauch mit der Glaskapillare verbunden. Diese ragt in einen "cone", der wiederum in einem kleinen Becherglas steht.

(aus dem YouTube-Video von "cosmicRay137"; s. Bildnachweis 5)

 

Unten eine Ultra-Mikrobürette vom "Scholander-Typ".

Über eine Mikrometerschraube wird auch hier ein dünner Metallstab in eine wenig kompressible Flüssigkeit (hier Quecksilber) vorgetrieben. Diese setzt dadurch die Flüssigkeit in der Kapillare kontrolliert frei.

 

Unten eine "Scholander"-Ultramikroburette des MetLab von Cunningham.

Links ein kleines Porzellanschälchen, in dem titriert wird.

(aus 1)

 

Die folgende Abbildung zeigt eine "Kirk-Burette", benannt nach dem Mikrochemiker Kirk. Sie wurde später von seinem großen Schüler Cunningham weiter verbessert.

Auf einem Grundkörper aus Holz oder Metall ist eine mehrfach gebogene Glaspipette verschiebbar (justierbar) fixiert, sodaß ein jeweiliger Meniskus als "Nullpunkt" eingestellt werden kann. (Schraube oben)

Mit der Schraube rechts werden über eine kurze Quecksilbersäule kleine Flüssigkeitsvolumina aus der Pipettenspitze abgegeben, die, je nach innerem Durchmesser, im Bereich meist von einigen Hundert Nanoliter liegen können. Die Titration findet hier in einem winzigen Schälchen z.B. aus Platin statt.

(aus 1 )

 

Heute würden sich auch Cunningham und Kollegen wohl für die bequemen und hochpräzisen Hamilton-Spritzen aus Reno/Nevada entscheiden.

In Kombination mit Mikrometerschraubgeräten lassen sich Flüssigkeitsmengen im Nanoliterbereich (!) bewerkstelligen.

Die Skala der 10 µl-Spritze (s.o.) erstreckt sich über 60 mm. 1 mm auf der Spritzenskala entsprechen also 167 nl. Dieser Millimeter wird durch 1 mm Schraubenvorschub und damit 100 Teilstrichen der Mikrometerschraube bewirkt.

1 Teilstrich der Mikrometerschraube entspricht dann (theoretisch) 1,67 nl (!!)

Flüssigkeitsmengen im 2-stelligen Nanoliter-Bereich sind aber bei Berücksichtigung aller Parameter (z.B. hochfeine Kapillar-Spitze) realistisch.

 

Auch eine notwendige Durchmischung von Reaktionspartnern etwa bei einer Titration muss in der Mikrochemie durchführbar sein. Meistens wurden dazu Vibrationen durch elektrische Vorrichtungen auf winzige Glasstäbchen übertragen. (siehe Schema-Zeichnung unten aus "Q" )

 

Unten ein "buzzer" des Autors.

Es wurde von einem Mitglied des "Mikroskopie-Forums" (reblaus) mithilfe von Bauteilen aus einem Handy gebaut und dient hier zur Durchmischung in den Vertiefungen einer "Tüpfelplatte"

 

Vorrichtung zur Mikro- und Ultramikrotitration mit "buzzer" links und Ultramikroburette rechts unter dem Mikroskop.

Im Einsatz wird diese Vorrichtung auf der Unterseite: "Anwendungen der Mikrochemie/Kolwezit" gezeigt.

 

 

Eine andere Möglichkeit, Flüssigkeitsmengen im Nanoliter-Bereich abzumessen sind die von mir gebauten "Nanoliterpipetten", mit denen vorzugsweise Mengen im ein- und zweistelligen Nanoliter-Bereich abgemessen und abgegeben werden können. Sie haben den Vorteil, daß nicht durch Kapillarkräfte Teile der abgemessenen Volumina wieder in die Pipette zurückgezogen werden können.

Ein Kapillarröhrchen (z.B. 1,5mm AD) wird zu einer haardicken Kapillare ausgezogen.

Ein Teistück der Mitte wird in Portionen zwischen etwa 5 und 10mm abgetrennt.

Der Inhalt pro mm wird entweder durch Volumenbestimmungen unter dem Mikroskop oder durch Wägungen des Teilstückes vor und nach Füllung auf einer "Cahn-Waage" bestimmt.

Von der so vermessenen Kapillare werden Stücke mit bekanntem Volumen unter dem Stereomikroskop in ein "Schmelzpunktröhrchen" von etwa 1mm AD eingelegt und mit einem Spezialkleber luftdicht verschweisst.

Ein kleiner Vorrat kann nicht schaden.

Diese NanoPipetten füllen sich langsam vollständig, werden dann mit einem Mikromanipulator in ein Reaktionsgefäß ("capillary cone") eingeführt und der bekannte Inhalt durch leichten Luftüberdruck entleert.

Unten die vom Autor eingesetzte "assembly". Die "cones" sind hier in einer "Feuchtkammer" befestigt.

Unten eine weitere Variante einer "Feuchtkammer", hier noch ohne "Feuchtmittel" und Abdeckungen

 

Auch mit der Kombination Hamilton-Mikroliterspritze, fein ausgezogenen Kapillaren, vollkommen luftfreien Druckvermittlern (abgekochtes H2O) und dem Einsatz von "repellents" sind "Auslieferungen" von Mengen im Nanoliter-Bereich möglich